Maria Painer sitzt vor einem Spiegel-Haus

Wenn mir mein Mann nur endlich mehr im Haushalt helfen würde…

Wenn mir meine Mutter nur auch mal zuhören würde …

Wenn, ja wenn …

Und jetzt komme ich noch mit dem provokanten Spruch daher:

„Was mich am Andern stört zu mir gehört.“

Und genau das möchte ich hier erklären:

Jedes Verhalten Anderer, das Dich emotional aufregt, Dich ärgert, Dich wütend macht, Dich aus der Fassung bringt - ist eine Eigenschaft, die du ablehnst und deshalb bei dir unterdrückst. 

Gemäß dem Polaritätsgesetz (siehe Blog) sind wir immer Beides: stark und schwach, fleißig und faul … es kommt nur auf den Grad der Ausprägung an, ob wir etwas als gut oder schlecht bewerten.

Störende Eigenschaften haben jeweils auch eine positive Seite: Geiz ist in der positiven Ausprägung Sparsamkeit; Sturheit kann auch Konsequenz bedeuten, Ängstlichkeit wird zur Vorsicht, Faulheit heißt auch mal ausspannen können usw. In jeder vermeintlichen Schwäche ist auch eine Stärke enthalten.

Indem wir nun ein Verhalten für uns ablehnen, leben wir auch die positive Seite davon, unsere eigentliche Stärke, nicht aus.

Der Schweizer Psychoanalytiker C.G. Jung prägte für alle Anteile in uns, die wir verstecken oder verleugnen, weil sie für uns nicht akzeptabel sind, den Begriff des „Schatten“. Von ihm ist auch der Spruch überliefert: „Ich will lieber ganz sein als gut.“

Der Sinn unseres Lebens ist vollständig zu werden und aus der vermeintlichen Dualität auszusteigen. Jede Emotion ist menschlich.

Diese Schattenseiten sind dann schädlich wenn sie verdrängt werden, denn sie drohen hervorzubrechen, wenn es gerade überhaupt nicht passt.

Was immer wir an uns selbst nicht annehmen, projizieren wir auf andere. Uns stört an anderen Menschen das, was wir an uns selbst nicht mögen. Wir brauchen Andere als unseren Spiegel. Wir ziehen die Menschen und die Umstände an, die uns genau die Aspekte widerspiegeln, die wir verdrängt oder vergessen haben. Gerade Menschen, die uns sehr nahe stehen, sind besonders aussagekräftige Spiegelbilder.

 

Ein Beispiel aus der Praxis:

Eine Frau, nennen wir sie Nina, beklagt sich darüber, dass ihr Mann ein Egoist ist. Er hilft wenig bis gar nicht im Haushalt mit und nimmt sich stattdessen viel Zeit für seine Hobbys und Freunde.

Währenddessen kümmert sich Nina um alles, arbeitet bis zur Erschöpfung und hat das Gefühl, im Leben zu kurz zu kommen.

Nun ist so ein extremes egoistisches Verhalten natürlich kein erstrebenswerter Wesenszug, ABER Egoismus hat auch eine gute Seite: nämlich dass ich auf mich selber schaue und mit meinen Kräften haushalte. Wie immer im Leben macht die Dosis das Gift. 

Als Kind wurde Nina beigebracht und auch vorgelebt, dass man immer zuerst auf das Wohl anderer achten müsse bevor man an sich selbst denkt. Für Nina galt also jahrzehntelang der (unbewusste) Glaubenssatz: Wer sich selbst wichtig nimmt ist schlecht.

Indem Nina Egoismus für sich ablehnt, lehnt sie auch die positiven Seiten dieser Eigenschaft ab, lebt diese Seite also nicht aus. Sie achtet zu wenig auf sich selbst und fühlt sich dabei auch noch als Opfer ihres Mannes. 

Indem Nina beginnt, mehr auf ihr eigenes Wohl zu achten, sich Zeit für sich selber zu nehmen, umso weniger muss ihr ihr Mann ihren Mangel an gesundem Egoismus spiegeln. Indem sie die Verantwortung für ihr eigenes Wohlbefinden übernimmt, steigt sie auch aus der Opferrolle und damit aus der Fremdbestimmung aus.

Wie wäre es, wenn Nina künftig ihrem Mann in solchen Situationen nicht mehr Vorwürfe macht, sondern ihm innerlich dafür dankt, dass er sie daran erinnert wieder mehr auf sich selbst zu achten?

 

Wenn man innerlich davon getrieben ist, etwas Bestimmtes NICHT sein zu wollen, wird man oft das Gegenteil. Manche Menschen verbergen unter einer harten Schicht ihre Feinfühligkeit, unter einer humorvollen Maske ihre Traurigkeit und die ewig Lächelnden manchmal ihren unbewussten Zorn. Diese Unterdrückung kostet uns aber viel Lebensenergie, die uns woanders fehlt.

Wir neigen dazu alles entweder schwarz oder weiß zu sehen. Aber es gibt Gutes und Schlechtes, Licht und Schatten in allem. 

Indem wir mitfühlend unser Herz für unsere Schattenseiten öffnen, werden wir auch mitfühlender mit anderen und hören auf zu verurTEILEN.

Alleine kommt man meist schwer weiter mit der richtigen Deutung der Schattenseiten, weil unser Verstand die Kontrolle nicht aufgeben will und daher immer wieder Beweise für die Richtigkeit unseres derzeitigen Verhaltens findet. So wie Nina immer davon überzeugt war, dass sie mit ihrer selbstlosen Art alles richtig macht - bis zur Erschöpfung.

Aussenstehende sehen solche Muster oft deutlicher. Daher ist es gerade bei solchen Themen hilfreich, sich Jemandem anzuvertrauen der unvoreingenommen ist.

Gerne bin ich Dir bei der  Entdeckung Deiner Stärken behilflich!

Es werden uns aber auch unsere guten Seiten gespiegelt. Wenn ich z.B. sehr hilfsbereit bin, werde ich auch immer wieder hilfsbereiten Menschen begegnen. Je mehr wir in Frieden mit uns selbst und unseren Schattenseiten sind, umso harmonischer wird auch unser Umfeld.

 

"Wer zugleich seinen Schatten und sein Licht wahrnimmt, sieht sich von zwei Seiten und kommt damit in die Mitte.“

C.G. Jung